Lizzie Doron, Sweet Occupation
Lesung und Gespräch mit der israelischen Autorin
Deutsche Lesung: Holger Schwab, N.N. Übersetzung der englischen Teile
– ausverkauft –
Mo., 12. November 2018 um 20 Uhr für 10 € im buchLaden 46
Combatants for peace – Kämpfer für den Frieden.
Was für ein martialischer Name, dessen Pathetik mir unangenehm ist und übertrieben erscheint. Das waren meine Gefühle vor dem Lesen dieses Buches.
Es erzählt Lebensgeschichten von drei palästinensischen Männern, die in den besetzten Gebieten leben und gegen Israel kämpften und zwei israelischen Soldaten, die dort eingesetzt waren und den Dienst mit der Waffe verweigerten. Alle haben im Gefängnis gesessen. Alle haben getötet? Das erfährt man nicht. Alle sind schuldig geworden, haben israelische Soldaten angegriffen, Familien zerstört, Menschen terrorisiert, „Märtyrer“ angeleitet usw.
Alle sind heute Kämpfer für den Frieden. Und sie sind die Hauptpersonen von Lizzie Dorons Buch „Sweet Occupation“. „Süße Besatzung“: während Doron Jamils bewegender Geschichte zuhört, essen sie das Halva von Jamils Frau.
So etwas wie Trost.
Lizzie Doron lässt sich deren Lebensgeschichten erzählen und wird dadurch angeregt, sich selber an ihre gestorbenen Freunde der Kriege von 1967 und 1973 zu erinnern und lange verdrängte Gefühle wieder zuzulassen. Lizzie Doron ist israelische Schriftstellerin; ihre Mutter hat ein deutsches KZ überlebt. Von den Folgen schreibt Doron in ihren Büchern, die in Israel Schullektüre geworden sind. Ihr besonderer Stil ergibt sich aus der Art, wie sie sich dem Leben ihrer Figuren nähert: mit Geschichten, vielen Geschichten, die sich den Menschen, von denen sie handeln auf unterschiedlichen Perspektiven nähern und die von ihnen selber erzählt werden. Einer der Männer, einer der Kämpfer, bittet Doron am Ende: „Schreib, dass es Menschen gibt, mit denen man sprechen kann.“ Die Geschichten, die wir erzählen und denen wir zuhören (?) machen Frieden.
Geschichten machen Verständnis möglich.
Die „Combattants for peace“ haben eine jährliche Gedenkfeier aufgebaut, in der isaraelische wie arabische Menschen zusammen ihrer Opfer der Besatzung gedenken; und für Erbarmen und Versöhnung eintreten. Eine Ungeheuerlichkeit für die isarelische Öffentlichkeit, zumal sie eine Stunde nach der offiziellen israelischen Zeremonie für „unsere Gefallenen“ stattfindet.
Doch, der Name der Gruppe ist pathetisch, zu Recht. Denn sie müssen kämpfen für ihren gewaltlosen Weg. Die Anfeindungen sind von hier aus nicht vorstellbar.
Das Buch „Sweet occupation“ ist aus Angst bislang nicht in Israel erschienen.
Auch nicht in England, nicht in Skandinavien und nicht in Frankreich.
Holger Schwab